Der erste Teil des Projekts, mittlerweile abgeschlossenen, unter dem Titel „Deskxistence“ galt der Untersuchung sozio-kultureller Strukturen und Verhaltensweisen von Schülern in aller Welt. Ottjörg A.C. fertigte über 660 Drucke von Schultischen, machte die Spuren, die Schüler mit diversen Werkzeugen hinterließen, per Tiefdruckverfahren sichtbar.
Schule, als eine Variante öffentlicher, also urbaner Plätze, wird als ambivalenter Ort gleichermaßen geprägt von Kultur- und Wissensvermittlung sowie von Disziplin und Disziplinierungsmaßnahmen. Minimalen „Freiraum“ im täglichen Drill des Schulalltags bietet zuweilen das Verletzen einer „Form“. Das Druckkonvolut „Deskxistence“ ist sowohl Zeuge davon, wie auch von Schüler-Sehnsüchten.
Als Schüler in Mosbach träumte sich Ottjörg an spezielle Naturorte, Räume jenseits zivilisatorischer Einflüsse. Das Eis auf Grönland, der offene Ozean, die Wüste Sahara und der Regenwald des Amazonas stehen bei ihm für die tiefe Sehnsucht der Menschen nach Naturerfahrung. Über die gegensätzliche Wahrnehmung von öffentlichen und nicht öffentlichen („urban-“ und „un-urban“) Plätzen stellen sich für Ottjörg A.C. grundsätzliche Fragen zur eigenen Verortung.
Um diesen nachzugehen, plant er mit „un-urban faces“ eine Überführung kulturell geprägter Objekte an seine speziellen Naturorte. Erster „un-urban“ Platz wird der Rio Negro im Amazonasgebiet sein. Dorthin sollen Schultischdrucke, luft- und wasserdicht zwischen zwei Glasplatten eingeschweißt, transportiert und dem Ort überlassen. Sonne, Regen und Wind werden die Kultur-Stücke verändern. Dieser Prozess wird für wenige Wochen dokumentiert.
In Mosbach waren nun erste Versuche zu „un-urban faces“ zu sehen. Von einer Brasilienreise, die dazu diente den Regenwald kennenzulernen und eine angemessene Installation dem Ort entsprechend vorzubereiten, brachte Ottjörg A.C. u. a. Baumrinden, natürlich bunte Holzstreifen, ein geflügeltes Rieseninsekt und Seidentücher mit, die er zur Veranschaulichung von natürlichen Verrottungsprozessen um abgestorbene Baumstümpfe gewickelt hatte. Diese Naturstücke, kombiniert mit Schultischdrucken, Videoimpressionen aus dem Urwald, Pflanzenfotos und einem provisorischen Schreibtisch mit Notizbüchern und Zeichnungen, machten den Ausstellungsraum zu einer Art Denk- und Arbeitslabor. Der Raum funktionierte als Schnittstelle zwischen Kulturorten und Naturlandschaft. Vergangenes und Vision trafen sich. Einer Möglichkeitsform wurde Raum gewährt: „Amazonien, können wir…?“
Mit „un-urban faces“ will Ottjörg A.C. über die ästhetische Formulierung hinaus seinen Werkkomplex „Deskxistence“ in einem nächsten Prozess in eine weitere künstlerische Entwicklungsphase überführen. Dabei ist das Risiko des Scheiterns werkimmanent. Die Chance jedoch auf neue Fragestellungen und Erkenntnisprozesse erhöhen sich in gleichem Maße…